Was lernt man da eigentlich konkret… im dualen Studium Architektur?
Nicht immer weiß man so genau, ob sich die eigene Vorstellung tatsächlich mit den Inhalten eines Studiums deckt. Architektur ist eine Disziplin, über die sich schnell mal eine falsche Vorstellung einschleicht. Unser Studiengangsleiter, Prof. Hans Nungeßer, spricht im Interview darüber, welche Missverständnisse ihm am häufigsten begegnen und wie das duale Studium Architektur tatsächlich aussieht.
Prof. Hans Nungeßer, Sie lehren seit 2019 Architektur an der IU und bringen Erfahrung in Lehre und Forschung mit. Vor allem aber sind Sie in der Praxis als Architekt tätig – im eigenen Architekturbüro J M N Architekten PartmB – und haben mit Ihrer Arbeit bereits einige Wettbewerbe gewonnen. Sie kennen also diverse Aspekte dieses spannenden Berufsfelds. Auf welche Tätigkeiten bereitet das duale Studium Architektur der IU denn vor?
Hans Nungeßer: Architekten beschäftigen sich mit den räumlichen, gestalterischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von gebauter Umwelt, um mit ihrer Arbeit den Lebensraum zu verbessern und die Baukultur zu stärken. Daher sind auch die Tätigkeitsfelder nach dem Studium genauso breit gefächert wie die Inhalte des Studiums. Absolventen können in Architekturbüros, bei Immobilienentwicklern, Immobilienverwaltern, Wohnungsbaugesellschaften, Generalunternehmen oder Planungs- und Baubehörden arbeiten. Aber auch Kirchen und größere Unternehmen besitzen eigene Bau- und Immobilienabteilungen. Je nach persönlichem Schwerpunkt können ausgebildete Absolventen beispielsweise als Planer oder Bauleiter, als Projektmanager oder in der Projektentwicklung tätig werden.
Warum lohnt es sich, Architektur dual zu studieren?
Nungeßer: Das duale Studium ermöglicht unseren Studierenden schon von Beginn an, Erfahrungen aus dem Berufsalltag mit der akademischen Lehre zu verknüpfen. Im besten Falle führt dies gleich zweifach zu einer Bereicherung ihrer Ausbildung. Zum einen können theoretische Lerninhalte direkt in der Praxis angewendet und vertieft werden, zum anderen können Erfahrungen und Themen aus der Praxis im akademischen Betrieb integriert, hinterfragt und reflektiert werden. Darüber hinaus können Absolventen des dualen gegenüber ihren Kommilitonen aus dem „herkömmlichen“ Studium einen Wettbewerbsvorteil generieren, da sie durch langjährige Erfahrung bereits mit den betrieblichen Abläufen und Strukturen Ihrer Praxispartner vertraut sind. Und diese Erfahrungen sind für einen potenziellen Arbeitgeber sicher größer zu gewichten als ein studienbegleitendes Praktikum.
Woran erkennen Bewerber, ob der Beruf bzw. das Studium zu ihnen passt und ob sie den Herausforderungen des Studiums gewachsen sind?
Nungeßer: Das Studium der Architektur ist zeit- und arbeitsintensiv. Pauschal und kurz kann man – denke ich – sagen: Wer Spaß und Freude daran hat zu gestalten, zu entwickeln, wer bereit ist, sich dabei laufend selbstkritisch zu hinterfragen, und wer bereit ist, auch dann noch mal „von vorne anzufangen“, wenn man glaubt, „fertig“ zu sein, der wird den Herausforderungen des Studiums und des Berufes gewachsen sein.
Welche Inhalte lernen Studierende im dualen Studium Architektur?
Nungeßer: Architekten müssen in der Lage sein, die vielfältigen am Bau beteiligten Fachdisziplinen zusammenzubringen und zu koordinieren. Daher ist nicht nur Fachkompetenz, sondern auch kommunikatives Geschick wichtig. Die Inhalte des Architekturstudiums sind sehr breit angelegt: Bautechnische Fächer, wie Baustoffkunde, Gebäudetechnik oder Tragwerkslehre sind ebenso Bestandteil des Studienplans wie die gestalterischen Fächer Darstellen, Zeichnen, Modellbau sowie Baugeschichte, oder Immobilienmanagement.
Wie kann man sich den Vorlesungsalltag vorstellen?
Nungeßer: Die „klassische“ Vorlesung gibt es zwar im Architekturstudium auch, allerdings ist ihr Anteil am Studienplan wohl deutlich geringer als in anderen Fächern. Im dualen Studium Architektur an der IU gilt vielmehr der Leitsatz „Learning by Doing“. Schwerpunktmäßig seminaristisch arbeiten wir mit den Studierenden gemeinsam und vermitteln den umfassenden Lernstoff mit und durch eine Vielzahl kleinerer und größerer Übungen. Dies begleiten wir kontinuierlich mit intensiver persönlicher Beratung. Gleichzeitig fördern wir dabei die Diskussionsfreude der Studierenden untereinander und integrieren wertvolles Peer-to-peer-Learning in die Lehre.
Was sind die größten Missverständnisse, die dir zum Thema Architektur über den Weg laufen bzw. welche falschen Vorstellungen könnten Berufseinsteiger mitbringen?
Nungeßer: Architekten sind reich, berühmt und fahren Porsche. Nein, im Ernst: Niemand sollt Architektur studieren, weil er reich werden will. Das wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelingen. Löhne und Gehälter, sowie Honorare in der Architekturbranche sind entgegen einer weitverbreiteten Meinung leider eher mittelmäßig bis gering im Vergleich zu anderen Branchen. Dennoch kann ich mir für mich keinen schöneren Beruf vorstellen. Zweitens: Architekten sind Künstler und Schöngeister. Nun. Das sind, oder besser, wären wir gerne. Und das Gestalterische im Architekturberuf ist in meinen Augen auch der wichtigste und schönste Teil der Arbeit. Allerdings ist dies – zeitlich gesehen – leider nur ein kleiner. Und der „reine Künstler“ wird vermutlich kein guter Architekt. Neben guten Ideen und gestalterischem Können benötigt es eben auch die Kompetenzen und den Ehrgeiz, diese Ideen in die Realität zu überführen. Das mag auch eine Kunst sein – die ist aber selten künstlerisch, sondern vielmehr ein harter und zuweilen mühsamer Arbeitsprozess.
Wie sind die Berufsaussichten für Architekten nach dem Studium?
Nungeßer: Das ist derzeit sehr leicht zu beantworten: sehr gut. Das gilt jetzt, da die Baubranche ungebremst boom. Ich glaube aber, das gilt generell. Selbst wenn der Bausektor irgendwann wieder schwächelt, bietet das Architekturstudium durch seine fachübergreifende Anlage ein breites Fundament, um in vielen unterschiedlichen Branchen tätig zu werden.
Vielen Dank für das ausführliche Interview.